Ist der unregulierte ICO-Markt an der Pleite eines Berliner Start-up ICOs schuld?
Es ist gar nicht lange her, da machte eine Berliner Firma Schlagzeilen. Bei einem ICO konnte dieses 100 Millionen Dollar einfahren, jedoch funktionierte das Geschäft nicht. Nun steht der Geschäftsbetrieb still – das Geld ist weg. Und die Anleger klagen nun und fordern Schadensersatz ein. 161 Prozent Rendite versprach ihnen die Envion AG. Etwa 30.000 Investoren kauften Token für einen US-Dollar das Stück. Heute ist ein Anteil nur noch an die 7 Cent wert.
Die Anleger werfen der Firma Prospektbetrug vor, die Angaben in den Unterlagen seien nicht korrekt gewesen und außerdem habe das Start-up einen schweren Fehler begangen, indem Token an deutsche private Investoren verkauft wurden, der Prospekt jedoch nicht von der deutschen Aufsichtsbehörde überprüft wurde. Nun ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft.
ICOs gelten als riskant
Weil Initial Coin Offerings derzeit immer stärker in Kritik geraten, könnte der Skandal um Evion Folgen für die ganze ICO-Branche haben. Die deutsche Finanzbranche begutachtet ICOs sehr kritisch, wie eine Untersuchung des Center for Financial Studies der Goethe-Universität Frankfurt zeigt: Von rund 200 Befragten sehen Führungskräfte von Banken, Vermögensverwaltern und Versicherern ICOs kritisch gegenüber und stufen diese als riskant ein. Top-Manager befürworten eine stärkere Regulierung des ICO-Markts, sowie es bei klassischen Börsengängen (IPOs) gängig ist. Außerdem wünscht man sich mehrheitlich, dass die Finanzaufsichtsbehörde BaFin aktiver wird, wenn es um ICOs und auch um Kryptowährungen geht.
Normalerweise wird die Finanzindustrie nicht so gerne reguliert – doch in diesem Fall wird eine Forderung nach einer Regulierung besonders laut. Denn weil ICOs derzeit einen Teil des grauen Kapitalmarkts ausmachen, welcher zum Großteil unreguliert ist, können auch unseriöse Unternehmen Token ausgeben. Aktuell werden sämtliche Vorschriften, die für klassische Börsengänge gelten, nicht bei ICOs angewandt. Geschäftsmodelle werden nicht geprüft und es gibt auch keine Due-Diligence-Prüfung der Risiken des Vorhabens einer Firma. Letztlich haben Anleger keine Garantie, dass das Unternehmen nicht bloß ein Fake ist.
Trotzdem gehen immer mehr neue Projekte an den Start
Doch der Fall des Berliner Start-ups ändert nichts an der Beliebtheit von ICOs. Monatlich starten mehr als 100 neue Projekte. Im Jahr 2017 wurden rund 7 Milliarden US-Dollar in ICOs investiert – im ersten Halbjahr 2018 waren es bereits 13,7 Milliarden. ICOs überschwemmen regelrecht den Markt. Wobei der Markt in Deutschland im Vergleich zu anderen Nationen noch in der Anfangsphase steckt. Trotzdem – oder gerade deshalb besteht dringender Handlungsbedarf. Der Bedarf eines regulatorischen Rahmens ist sehr dringend. Nur wenn ein solcher Rahmen besteht, können sich der ICO-Markt und somit auch die Start-ups weiterentwickeln und sich etablieren.
Wie so eine solche ICO-Regulierung im Detail aussehen soll, ist derzeit jedoch noch nicht deutlich. Mehrheitlich sieht man die BaFin in der Pflicht, die Regulierung in die Hand zu nehmen, doch ein beachtlicher Teil wünscht auch, dass die BaFin außen vor gelassen wird. Einerseits bringt man der Behörde kein vollkommenes Vertrauen entgegen, andererseits befürchtet man eine Überregulierung, welche den ICO-Markt eher einschränken, statt weiterentwickeln würde. Ausgeschlossen ist jedoch, dass die Finanzbranche sich selbst erfolgreich regulieren kann. Eine Lösung für dieses Problem steht derzeit noch aus und bleibt abzuwarten.